LinkedIn König

LinkedIn-König der Herzen: CEO Positionierung in den sozialen Netzwerken

Warum man bei der CEO-Positionierung vieles machen kann, aber besser nicht wie Herbert Diess.

Jede:r, der oder die nicht die vergangenen zehn Jahre unter einem analogen Stein gelebt hat, wird kaum bestreiten, dass soziale Netzwerke in der Außendarstellung von Personen und Unternehmen immer mehr Bedeutung einnehmen. Ganze Kampagnenpläne mit Social Media Schwerpunkt werden aufgesetzt und selbst die regionalen Versorger sind mittlerweile sogar auf Instagram und Tiktok unterwegs (keine Ahnung, was die da machen).

Dass auch CEOs als Führungspersönlichkeiten ihrer Unternehmen an ihrer Social Media Präsenz arbeiten sollten, erscheint daher nur folgerichtig. Ja. Der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle allerdings gesagt, dass hier noch eine andere Entwicklung hinein spielt – und zwar der Trend zum Storytelling. Storytelling ist niemandem in der Branche mehr neu, aber nach wie vor omnipräsent. Und Storytelling lebt von Personen und Persönlichkeiten. Marken und Logos erleben keine Geschichten – Menschen tun das.

Warum gehört ein:e Unternehmensführer:in mit seiner/ihrer Nase ins Internet?

Gehört er oder sie nicht zwangsläufig. Aber nicht zuletzt das überaus berühmte Beispiel von Steve Jobs zeigt, wie sehr sich Personen mit Menschen und darüber mit Marken identifizieren können. Menschen mögen Rollenvorbilder und davon profitieren die Marken, die dahinterstehen. Wenn man so möchte, ist CEO-Positionierung auch eine Art Influencermarketing – vorausgesetzt, der/die CEO ist auch wirklich influential. 

Aber auch abseits der sozialen Medien ist die Positionierung der oder des CEOs relevant – darum soll es an dieser Stelle jedoch gar nicht gehen (gerne ein andermal. Die Top 5 Gründe für CEO Positionierung lassen sich bei den meisten Agenturen gratis herunterladen. Stellen Sie sich anschließend auf hartnäckige Anrufe der Salesabteilung ein.)

Hier geht es vielmehr darum: Sie haben eine:n CEO, der/die gerne in den sozialen Medien aktiv sein/werden möchte und überlegen nun: wie stelle ich das am besten an?

Nun könnte eine Checkliste für ein Social Media Konzept folgen. Tut es aber nicht. Stattdessen möchte ich gerne am Profil von Herbert Diess zeigen, was geht – und was nicht. 

Warum Herbert Diess? Ganz einfach: weil ihn das Handelsblatt noch zu Beginn dieses Jahres zum deutschen LinkedIn-König ernannt hat. Wenn also jemand weiß, wie es geht, dann doch der Mann aus Wolfsburg und sein Comms-Team.

1. Starke Bilder

Nein, LinkedIn ist nicht Instagram. Gerade auf LinkedIn hat man die Möglichkeit, längere Textformate gut unterzubringen. Dazu gehört aber auch, dass die Leser:innen sie sich anzeigen lassen. Um sie dazu zu bewegen helfen gutes Bildmaterial und ein starker Teaser. 

Herr Diess zeigt, wie man es lieber nicht macht (ja, authentisch, charmant, wahrscheinlich hat er den Screenshot von seinem iPhone selbst gemacht – aber was soll das?): 


Zu seiner Verteidigung – auf der zweiten Seite folgt ein Screenshot der App aus dem man auch zusammen mit dem Text daneben nicht schlau wird. Am Ende wird noch noch die Empfehlung an alle Politiker:innen hinterhergeschossen, sich mit Hilfe der App einen Überblick über den Energiemix in ihrer Region zu verschaffen (das wissen die hoffentlich auch ohne App…) und ein unklarer Bezug zu Volkswagen. Wer ist hier die Zielgruppe? Was soll die Botschaft sein? Ja, LinkedIn hat Platz für Text, aber mach es den Lesern doch leicht, die Botschaft aus Text und Bild innerhalb von 30 Sekunden zu erschließen.

Besser: 

  • Zielgruppe(n) und Botschaft klar machen: Wer soll den Beitrag lesen und was soll danach passieren?

  • electricityMap hat eine ziemlich coole Animation auf ihrer Webseite, aus der ein:e Grafiker:in problemlos eine social-media-freundliche Version zaubern kann. Ein gut gewählter Kartenausschnitt sollte die App innerhalb weniger Sekunden selbsterklärend machen.

  • Kommunikation mit der Politik: z.B. Rede von Annalena Baerbock auf dem letzten BDEW Kongress kommentieren und alle wichtigen Stakeholder und Institutionen verlinken. 

2. Klare Botschaften

Auch in semi-kurzen Texten und gerade in den sozialen Netzwerken sollten die Botschaften sitzen. Angeblich ist der durchschnittliche US-Büger mit bis zu 10.000 Werbeanzeigen konfrontiert – das menschliche Gehirn muss täglich (mittlerweile wahrscheinlich noch mehr als) 34 GB an Informationen verarbeiten. Wie stelle ich da sicher, dass ausgerechnet meine Botschaften ankommen? Naja, ein Anfang wäre, sie zielgruppengerecht aufzubereiten. Das Onlinestellen von Redeskripten gehört nicht dazu.

 

Die Präsentation einer neuen Unternehmensstrategie ist eine Riesensache. Auch diejenigen, die nicht regelmäßig Spiegel Online lesen wissen, dass wir aktuelle Mobilitätsmuster kritisch hinterfragen müssen und es mit Blick auf den Klimawandel kein “Weiter so” mehr gibt. Als wichtigster deutscher Industriezweig und – machen wir uns nichts vor – auch essenziellem Teil der deutschen Identität ist besonders die Automobilindustrie unter Druck und stetiger Beobachtung. Klar also: wer durch seinen LinkedIn-Feed scrollt und “Unternehmensstrategie” und “Volkswagen” liest, wird genauer hinsehen wollen. 

Nur leider wird es einem wirklich schwer gemacht, aus den LinkedIn-Beiträgen die Kernpositionen mitzunehmen. Egal wie sehr man sich für das Thema interessiert, 20 Seiten Skript zu lesen macht man doch eigentlich nur, wenn man die Bachelorarbeit eine:r guten Freund:in Korrektur liest oder, weil man es beruflich muss. Gut, aber vielleicht gab es noch andere Infos zu dem Thema? Ja – anderthalb Stunden Video auf der Konzernseite und ein paar Fotos von Herrn Diess auf der Bühne. Tja, aktuelles Thema, Relevanz durch Größe und dann – vertane Chance.

Besser: 

  • Entweder die Kernthesen kurz und knackig herunterbrechen, schlicht grafisch aufbereiten und mit einem kurzen Teaser posten.

  • Alternativ auch ein Video-Zusammenschnitt mit den Highlights der Rede.

3. Knackige Texte

LinkedIn ist nicht Twitter, will sagen: Es gibt textlich Raum um Gedanken zu entwickeln, Zusammenhänge zu beschreiben und insgesamt einfach ein bisschen auszuholen. Es ist eine Herausforderung einen Debattenbeitrag auf 280 Zeichen zu begrenzen. Einen gut lesbaren LinkedIn-Post zu verfassen hat allerdings ebenfalls seine Tücken. 

Wer viel Zeit auf sozialen Medien oder Spiegel Online etc. verbringt, kennt wahrscheinlich das folgende Phänomen: Man liest eine spannende Überschrift und vielleicht auch noch den Teaser – und trotzdem rafft man sich nicht auf, den ganzen Artikel zu lesen. Unsere Zeit ist knapp, unsere Aufmerksamkeitsspanne oft noch knapper. Wie bringe ich also Menschen dazu, meinen LinkedIn-Post zu lesen?


So in der Regel nicht. Vom erschlagenden Textblock einmal abgesehen, liest sich das Ungetüm wie ein Ergebnisprotokoll nach einem Werksbesuch. Der/die Leser:in fragt sich: was möchte Herr Diess mir damit sagen? Schade: die wichtigste (und ggf. einzige) Botschaft des Textes steht irgendwo versteckt am Ende: “Die Leistung unserer E-Autos kommt aus dem Zusammenspiel der Komponenten, nicht der Einzelteile.” Sprachlich etwas missverständlich, aber inhaltlich wäre das ein super Einstieg à la: Unsere E-Autos sind mehr als nur ein starker Motor oder ein leistungsfähiges Getriebe.


Besser: hier gibt es Absätze. Aber auch bei diesem Beitrag muss sich der/die Leser:in den Sinn mühsam selbst erschließen. Man fragt sich: Warum erzählt uns Herr Diess etwas aus seinem Urlaub? Ach nein, es geht eigentlich ein Modellprojekt für nachhaltige Mobilitätskonzepte. Wer den Post tatsächlich zu Ende liest, kann sich das zusammenreimen.

Wer sich nicht auf die lyrischen Fähigkeiten der Leser:innen verlassen möchte: 

  • Überschriften (auch Zwischenüberschriften zum Gliedern) helfen den Blick und somit die Aufmerksamkeit zu lenken. Direkt sagen, worum es hier geht.

  • Gleiches tut ein knackiger Teaser. Der erste Absatz muss sitzen, damit weitergelesen wird. 

  • Außerdem: LinkedIn ist trotz allem ein soziales Medium. Hashtags und Verlinkungen können die Reichweite steigern – und man sieht zumindest aus, als hätte man den digitalen Bumms verstanden.

Diesseits von Gut und Böse

Nach dem ganzen Diess-Diss aber noch ein paar versöhnliche Worte zusammen mit dem Versuch einer Einordnung. 

Zuerst die Antwort auf die Frage, warum ich nun ausgerechnet Herbert Diess Profil kommentiert habe. Ganz einfach: Nachdem ich über ihn als LinkedIn König und sein fünfstelliges Social Media Budget gelesen hatte (Sie erinnern sich?), war ich natürlich neugierig. Und sofort enttäuscht, als ich das tatsächliche Profil gesehen hatte. Das soll das Vorzeige-CEO-Profil sein? Hm. O.K. 

Es ist kein Kunststück ein reichweitenstarkes Social Media Profil aufzubauen, wenn der Inhaber zufällig CEO des größten deutschen Autobauers ist. Posts in denen Diess handschriftlich kommentierte Zeitungsartikel ohne Kontext postet erreichen über 2000 Reaktionen. Ich weiß nicht, wie weit ich mich aus dem Fenster lehne, wenn ich behaupte, dass dies(s) nicht am guten Content liegt.


Nun aber endlich zu den versöhnlichen Worten. Das Profil von Diess ist authentisch. Der Mann hat Bock, sich Beiträge zu überlegen und dabei auch selbst Hand an die Tastatur anzulegen. Das ist cool, denn ein williger CEO ist die Grundvoraussetzung für gute CEO Positionierung. Wenn das gesamte Profil von oben bis unten durchgestylt ist, geht die Nähe zur Person verloren, die via SoMe-Profil ja eigentlich erzeugt werden soll. 

Dennoch könnte Diess seine Reichweite optimaler nutzen. Zum Beispiel, in dem er seine Content-Ideen hier und da ein bisschen pimpen und redigieren lassen würde. Für den höheren fünfstelligen Betrag sollen die LinkedIn-Berater:innen ruhig mal etwas zu tun bekommen.

…oder aber mit einem Video-Blog-Fomat mit dem Titel “Diess und das”, in dem er aktuelle Mobilitätstrends kommentiert. Warum gibt es das nicht schon längst??? Falls Bedarf besteht, schreibe ich gerne das Konzept und ein Skript für die erste Ausgabe (keine höhere fünfstellige Summe nötig).

Quelle: Volkswagen

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